Bewerbungsfragen im Arbeitsrecht von Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Arbeitsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle Stuttgart

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Bewerbungsfragen im Arbeitsrecht

Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Arbeitsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle aus der NJR Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Neuner-Jehle - Stuttgart - informiert und berät Sie spezialisiert und qualifiziert im Arbeitsrecht:

Die 10 wichtigsten Fragen im Bewerbungsgespräch:

 

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mehr zu Bewerbungsfragen

Immer wieder die alte Frage:

Was darf der Arbeitgeber beim Einstellungsgespräch alles fragen,

auf welche Fragen muss der Bewerber nicht antworten und darf gelogen werden ?

 

Regelfall ist der, dass der Arbeitgeber sich auch nach den persönlichen Verhältnissen des Bewerbers erkundigen will, andererseits möchte natürlich der Bewerber nicht über seine Intimsphäre ausgefragt werden.

Eine solche Befragung kann entweder mündlich, oder auch über einen Einstellungsfragebogen passieren.

 

Die Grenzen und der Umfang des Fragerechts:

 

Zunächst kann es Umstände in der Person des Bewerbers geben, über die er den Arbeitgeber unaufgefordert aufzuklären hat. Dies hat regelmäßig mit den speziellen Anforderungen des begehrten Arbeitsplatzes zu tun.

Ein Bewerber hat unaufgefordert mitzuteilen, wenn er z.B. bestimmte Allergien im Umgang bestimmter Produkte hat, welche der Arbeitgeber nutzt und dem Bewerber dies bekannt ist, z.B. Friseur.

Demgegenüber hat z.B. ein Transsexueller ungefragt keine Offenbarungspflicht über sein wahres Geschlecht.

 

An dieser Stelle ist auch zu erwähnen, dass das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) den Arbeitgeber nicht in seinen Fragen einschränkt. Dieses bezieht sich alleine auf die Erhebung, Nutzung und Verbreitung von Datenerhebung durch nichtöffentliche Stellen.

 

Die Fragrechtsbeschränkung des Arbeitgebers leitet sich aus dem Persönlichkeitsrecht des Bewerbers ab. Wird dieses Recht vom Arbeitgeber verletzt, so kann sich dieser Schadensersatzpflichtig machen, §§ 280 f BGB. Weiter kann es auch zu Ansprüchen aus unerlaubter Handlung kommen §§ 823, 253 BGB. Solche Ansprüche sind jedoch praktisch nicht sonderlich relevant.

Von größerer Bedeutung ist allerdings, wenn der Bewerber relevante Fragen unwahr, oder „halbrichtig“ beantwortet. Dies führt dazu, dass der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag anfechten kann, §§ 119, 123 BGB). Allerdings berechtigt nicht jede unwahre Antwort zur Anfechtung.

Hierzu nachfolgend:

 

Frage zur Alkoholerkrankung:

Eine solche muss der Bewerber nicht unaufgefordert angeben. Fragen nach erhöhtem Alkoholkonsum müssen jedoch beantwortet werden. Dies gilt vor allem dann, wenn ein solcher die beworbene Tätigkeit beeinträchtigt.

 

Frage zur Anschlussbeschäftigung:

Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitnehmer nicht offenbaren, dass er bereits eine Anschlussbeschäftigung hat. Eine solche Frage vom Gericht oder Arbeitgeber, ob er bereits eine anderweitige Stelle bekommen hat, muss er jedoch wahrheitsgetreu beantworten.

 

Frage zum beruflichen Werdegang:

Fragen nach dem beruflichen Werdegang muss der Bewerber wahrheitsgemäß beantworten, genauso wie nach Zeugnissen, Prüfungsnoten, nach etwaigen Wehrdienstzeiten. Unrichtige oder unvollständige Antworten werden im Regelfall eine Anfechtung des Arbeitsvertrages rechtfertigen (BAG 07.09.95 = NZA 96, 637)

 

Fragen zur Gehaltshöhe:

Die Frage nach bisheriger Gehaltshöhe muss der Bewerber ebenfalls wahrheitsgemäß beantworten. Gibt der Bewerber bewusst ein höheres Gehalt an, um hierdurch ein höheres Gehalt zu erzielen, so ist der Arbeitsgeber zur Anfechtung des Arbeitsvertrages berechtigt. Allerdings hat das BAG (Bundesarbeitsgericht) die Frage nach dem vormaligen Gehalt als unzulässig angesehen, wenn die bisherige Vergütung für die neue Stelle keine Aussagekraft hat und der Bewerber sie auch nicht von sich aus als Mindestvergütung gefordert hat (BAG 19.05.83 = DB 84, 298).

 

Fragen zur Gewerkschaftszugehörigkeit:

Die Frage wird allgemein als unzulässig angesehen. Sie soll allenfalls zulässig sein, wenn der Arbeitgeber in einem Arbeitgeberverband Mitglied ist und die Angabe zur Prüfung der Tarifbindung oder im Falle des betrieblichen Beitragseinzuges benötigt. Gleichwohl ist dies nicht unumstritten, da der Arbeitgeber berechtigte Interesse an der Beantwortung dieser Frage haben kann.

 

Fragen zur Heirat:

Die Frage zum Familienstand ist zulässig. Die Frage (meist an weibliche Bewerber) inwieweit alsbald eine Heirat bevorsteht allerdings nicht. Eine Lüge hat hier keine nachteiligen Rechtsfolgen für die Bewerberin.

Unzulässig sind jedoch auch Fragen, ob ein Bewerber in einer Lebensgemeinschaft lebe oder Homosexuell sei.

 

Fragen zu Krankheiten (chronische):

Fragen nach früheren Krankheiten sind nur beschränkt möglich, da sie einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers darstellen. Zulässig sind sie nur soweit ein berechtigtes betriebliches Interesse, auch der sonstigen Arbeitnehmer und bezogen auf den Arbeitsplatz besteht. Zulässig ist die Frage: Waren Sie in den vergangenen Jahren schwerwiegend oder chronisch erkrankt und könnte dies Einfluss auf die vorgesehene Arbeitsleistung haben ?

Eine Besonderheit besteht bei Aids. Wegen deren derzeitiger Unheilbarkeit darf danach gefragt werden, nicht aber nach der Infizierung.

 

Fragen nach Religions- und Parteizugehörigkeit:

Hiernach darf grundsätzlich nicht gefragt werden. Eine Ausnahme gilt bei konfessionellen Krankenhäusern, religions- oder parteigebundenen Verlagen, etc. Eine Mitgliedschaft in der DKP braucht ungefragt nicht mitgeteilt werden.

 

Fragen zu Schwangerschaft:

Früher war diese Frage uneingeschränkt zulässig. Zwischenzeitlich hat jedoch das Bundesarbeitsgericht seine Ansicht (nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes) aufgegeben und sieht in dieser Frage eine unzulässige Frauendiskriminierung.

Unzulässig ist aber auch die Zurückweisung einer Bewerberin weil sie schwanger ist. Auch Entlassungen die in irgendeiner Form mit der Schwangerschaft zu tun haben sind unzulässig.

Die Frage nach einer Schwangerschaft ist jedoch dann zulässig, wenn der objektive Schutz der Bewerberin und des ungeborenen Kindes wegen der Eigenart des Arbeitsplatzes nicht gewährleistet werden kann, z.B. Laborarbeiten mit bestimmten Substanzen, etc.

Von sich aus muss eine Bewerberin auf die Schwangerschaft jedoch nicht hinweisen, Ausnahme also nur, wenn sie hierdurch die Arbeitsleistung nicht erbringen kann, z.B. Model, Sportlehrerin, etc.

Ein Nichtschwanger-Attest darf nicht verlangt werden, die Frage nach der letzten Regel, oder die Einnahme empfängnisverhütender Mittel ist unzulässig.

 

Fragen nach Schwerbehinderung:

Diese Frage ist umstritten. Nach früherer Rechtsprechung war die Frage erlaubt und musste auch wahrheitsgetreu beantwortet werden, ansonsten konnte der Arbeitgeber den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten. Von sich aus musste ein Schwerbehinderter allerdings nie darauf hinweisen, es sei den, die Behinderung wirkte sich auf die konkrete Tätigkeit aus.

Im Jahre 2000 musst allerdings eine EU-Richtlinie umgesetzt werden, woraus der § 81 SGB IX entstand und nach welchem ein Schwerbehinderter wegen der Behinderung nicht benachteiligt werden durfte. Gleichwohl ist nach wie vor umstritten, ob diese Frage gestellt werden darf, da es hier nicht um die Statusfrage alleine geht, sondern auch nach der Einschränkung betreffend der offerierten Stelle gefragt wird.

Es ist wohl davon auszugehen, dass je weniger die Behinderung die Tätigkeit des Schwerbehinderten beeinträchtigt, umso weniger darf auch danach gefragt werden, ggf. sogar gelogen.

Ein Schwerbehinderter mit 30 %, der einen Gleichstellungsantrag gestellt hat, muss dies nicht offenbaren.

Ferner besteht keine Anfechtungsmöglichkeit bei der Lüge des Bewerbers, es läge keine Schwerbehinderung vor, wenn diese offensichtlich ist. Hört sich paradox an, aber ein solcher Fall musste vom BAG entscheiden werden (BAG 18.10.2000 = NZA 2001,315).

 

Fragen nach Scientology-Zugehörigkeit:

Diese Frage ist uneingeschränkt zulässig, insbesondere wenn es um die Besetzung einer Vertrauensposition geht. Die unwahre Beantwortung führt zur Anfechtung, oder berechtigten Kündigung BAG22.05.95 =AP 21 zu § 5 ArbGG 1979)

 

Fragen zur Stasimitarbeit:

Diese Frage ist dann zulässig, wenn der Bewerber in den öffentlichen Dienst eingestellt werden soll oder in Bereichen tätig werden soll, in denen ein besonderes Sicherheitsbedürfnis besteht. Die unrichtige Beantwortung dieser Frage kann zur Kündigung führen ferner kann der Arbeitsvertrag angefochten werden.

 

Fragen zu den Vermögensverhältnissen:

Diese Frage ist zulässig bei leitenden Angestellten und Bewerbern für Stellen, in denen ein besonderes Vertrauen in Anspruch genommen wird (Filialleiter, Bankmitarbeiter, etc.)

Unzulässig ist diese Frage jedoch bei Arbeitern, und Angestellten im unteren und mittleren Verantwortungsbereich.

 

Fragen zu Vorstrafen:

Im öffentlichen Dienst ist die Frage nach Vorstrafen nur zulässig, wenn die zu besetzende Stelle dies erfordert, was auch laufende Ermittlungen betrifft. Ansonsten sind Frage nach laufenden Ermittlungen unzulässig.

Regelfall ist, dass ein Kassierer nach vermögensrechtlichen Vorstrafen, ein Kraftfahrer nach Verkehrsdelikten befragt werden darf.

Ein Bewerber kann sich jedoch als straffrei bezeichnen, wenn Strafen nicht im Bundeszentralregister oder Erziehungsregister eingetragen sind. Der Inhalt im Führungszeugnis ergibt sich aus § 30 BZRG.

Bei höheren Angestellten besteht eine entspr. umfangreichere Offenbarungspflicht, z.B. bei Lehrern mit Vorstrafen mit Sittlichkeitsdelikten.

Wird die Vorlage eines Führungszeugnisses verlangt. Die Vorlage eines solchen ist immer freiwillig. Problematisch ist, dass sich aus dem Führungszeugnis regelmäßig auch Straftaten ergeben können, welche keinerlei Relevanz zur angestrebten Stelle hat.

 

Fragen zu Wettbewerbsverboten:

Ein solches muss ein Bewerber bereits von sich aus nach Ort, Zeit und Gegenstand angeben. Ein solches betreffende Fragen sind zulässig.

Bewerbungsfrage nach eingestelltem staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren

Bewerbungsfrage nach eingestelltem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren

BAG Urt.v. 15.11.2012 -6 AZR 339/11- NJW-spezial 2012, 148

Auch im öffentlichen Dienst besteht in der regel kein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an der Frage nach eingestellten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren gegenüber potentiellen Bewerbern.

 

 

In obiger Entscheidung geht es um das Fragerecht im öffentlichen Dienst. Bei privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen kommt jedoch die Bestimmung des § 32 BDSG (BundesDatenSchutzGesetz) zu letztlich demselben Ergebnis.

 

Unbefriedigend ist dies dann, wenn schwerwiegende orwürfe, etwas wie Kindesmissbrauch, im Raum stehen. Die vom BAG gestzte Grenze dürfte jedoch auch in Ausnahmefälle nicht überschritten werden dürfen.



Anfechtung des Arbeitsvertrags bei unwahrer Auskunft über laufende Ermittlungs- oder Strafverfahren

Anfechtung des Arbeitsvertrags wegen arglistiger Täuschung bei verschwiegendem Ermittlungsverfahren

BAG Urt.v. 06.09.2012 -2 AZR 270/11- NJW 2013, 1115

  1. Die falsche Beantwortung einer dem Arbeitnehmer bei der Einstellung zulässigerweise gestellten Frage kann den Arbeitgeber dazu berechtigen, den Arbeitsvertrag wegen arglistiger Täuschung anzufechten, wenn die Täuschung für dessen Abschluss ursächlich war.
  2. Der Arbeitgeber darf den Arbeitnehmer bei der Einstellung nach Vorstrafen Fragen, wenn und soweit die Art des zu besetzenden Arbeitsplatzes dies bei objektiver Betrachtung berechtigt erscheinen lässt. Auch die Frage nach noch anhängigen Straf- oder Ermittlungsverfahren kann zulässig sein, wenn solche Verfahren Zweifel an der persönlichen Eignung des Arbeitnehmers begründen können.
  3. Eine Einschränkung des Fragerechts kann sich im Einzelfall aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Bewerbers, dem Datenschutzrecht oder - in den Fällen abgeschlossener Straf- und Ermittlungsverfahren - den Wertentscheidungen des § 53 BZRG ergeben.
  4. Das Verschweigen nicht nachgefragter Tatsachen stellt nur dann eine Täuschung dar, wenn hinsichtlich dieser Tatsachen eine Offenbarungspflicht besteht. Eine solche Pflicht ist an die Voraussetzung gebunden, dass die betreffenden Umstände entweder dem Bewerber die Erfüllung seiner vorgesehenen arbeitsvertraglichen Leistungspflicht von vornherein unmöglich macht oder für die Eignung für den in Betracht kommenden Arbeitsplatz von ausschlaggebender Bedeutung sind.

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