Integrationsamt im Arbeitsrecht: Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Arbeitsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle Stuttgart - informiert und berät Sie spezialisiert und qualifiziert
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Integrationsamt im Arbeitsrecht
Anwalt, Rechtsanwalt, Fachanwalt Arbeitsrecht Tilo C.L. Neuner-Jehle aus der NJR Anwalts- und Fachanwaltskanzlei Neuner-Jehle - Stuttgart - informiert und berät Sie spezialisiert und qualifiziert im Arbeitsrecht:
Im Falle der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Mitarbeiter (bei Behinderung von mind. 50 % oder 30 % und Gleichstellung zu 50 %) kündigen möchte, muss er zuvor zwingend die Zustimmung des Integrationsamtes einholen § 85 SGB IX).
Eine ohne Zustimmung des Integrationsamtes ausgesprochene Kündigung ist gem. § 134 BGB unwirksam.
Voraussetzungen für die Kündigung eines Schwerbehinderten
Die Voraussetzungen für den besonderen Kündigungsschutz sind:
- § 2 II SGB IX sind erfüllt (Schwerbehinderung 50 % oder Gleich-
stellung)
- der Arbeitgeber hat Kenntis von der Schwerbehinderung oder
Der bes. Kündigungsschutz gilt jedoch nach § 90 II a SGB IX nicht, wenn
- die Schwerbehinderung nicht zum Zeitpunkt der Kündigung
nachgewiesen ist,
- oder das Versorgungsamt nach Ablauf der Frist des § 69 I 2
SGB IX eine Feststellung wegen fehlender Mitwirkung des
Arbeitnehmers nicht treffen konnte.
Diese Vorschrift soll an sich verhindern, dass Anträge zur Schwerbehinderung quasi in letzter Minute gestellt werden.
Der Antrag auf Schwerbehinderung oder Gleichstellung ist rechtzeitig gestellt, wenn er 3 Wochen vor der Kündigung beim Versorgungsamt eingeht (BAG Urt.v. 01.03.07), eine Zustellung des Bescheides innerhalb dieser Frist ist jedoch nicht erforderlich.
Ist der Antrag rechtzeitig gestellt und vom Versorgungsamt vor Ausspruch der Kündigung erlassen und wird ein Grad der Behinderung unter 50 % festgestellt, besteht dennoch Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX, wenn erst zu einem späteren Zeitpunkt eine Widerspruchsbehörde oder ein Gericht einen ausreichenden Grad feststellt.
Häufig jedoch weiss der Arbeitgeber bei Ausspruch einer Kündigung nichts von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers. Er ist am Verfahren zur Feststellung der Schwerbehinderung nicht beteiligt, ferner muss der Schwerbehinderte selbst auf Frage hierüber keine Auskunft erteilen.
Im Falle der Kündigung ist jedoch der Arbeitnehmer verpflichtet, dem Arbeitgeber innerhalb der 3-Wochen Klagefrist für die Kündigungschutzklage hiervon zu unterrichten.
Wird diese Frist versäumt, so gibt es für den Schwerbehinderten keinen Sonderkündigungschutz mehr (BAG Urt.v. 12.01.06 = NZA 2006, 1035).
Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten
Der Antrag auf Zustimmung ist vom Arbeitgeber beim zuständigen Integrationsamt schriftlich zu beantragen (§ 87 I SGB IX). Dieses hat den schwerbehinderten Mitarbeiter anzuhören und eine Stellungnahme bei Agentur für Arbeit, Betriebsrat oder Personalrat und soweit vorhanden der Schwerbehindertenvertretung einzuholen.
Das Integrationsamt soll in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung hinwirken. Ferner soll es eine Entscheidung möglichst binnen eines Monats nach Antragseingang treffen. Die Entscheidung ist sodann beiden Beteiligten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer mitzuteilen.
Nach Vorlage derZustimmung muss der Arbeitgeber binnen 1 Monats die Kündigung aussprechen, ansonsten muss das Zustimmungsverfahren erneut eingeleitet werden.
Entscheidung des Integrationsamts
Die Entscheidung des Integrationsamtes erfolgt nach gründlicher Aufklärung der Sach- und Rechtslage und liegt im Ermessen der Behörde.
Eine Ablehnung der Zustimmung mit der Begründung, die abeitsrechtlichen Voraussetzungen lägen nicht vor ist unzulässig, diese Beurteilung obliegt alleine dem Arbeitsgericht.
Zu berücksichtigen hat das Integrationsamt alleine Umstände, inwieweit die Kündigung aufgrund der Schwerbehinderung oder deren Auswirkungen im Betrieb des Arbeitgebers erfolgt ist.
Liegen solche Umstände nicht vor, so hat eine Zustimmung zu erfolgen.
Ausnahmen, welche das Ermessen der Behörde reduzieren sind:
- ein anderer angemessener und zumutbarer Arbeitsplatz ist für
den Schwerbehinderten gesichert (§ 89 II SGB IX),
- eine Betriebsstilllegung erfolgt (§ 89 I 1 SGB IX),
- wenn zwischen dem Tag der Kündigung und dem Tag,bis zu dem
Arbeitsvergütung gezahlt wird, mindestens drei Monate liegen.
- auch wenn der Arbeitgeber Insolvenz angemeldet hat, soll das
Integrationsamt zustimmen.
Im Falle der außerordentlichen Kündigung gelten i.Ü. o.g. Voraussetzungen. Allerdings sind hier folgende Besonderheiten zu berücksichtigen:
Das Ermessen des Integrationsamtes ist bei der ausserordentlichen Kündigung deutlich stärker eingeschränkt als bei der ordentlichen Kündigung. Wenn der für die ausserordentliche Kündigung notwendige "wichtige Grund" in keinem Zusammenhang mit der Kündigung steht, soll die Zustimmung erfolgen.
Ob ein solcher Grund vorliegt, hat dann das Arbeitsgericht zu prüfen.
Nach § 91 III SGB IX hat das Integrationsamt in diesem Fall seine Entscheidung innerhalb von 2 Wochen zu treffen. Erfolgt die Entscheidung des Integrationsamts nicht binnen dieser kurzen Zeit, so gilt die Zustimmung nach § 91 III SGB IX als erteilt.
Rechtsmittel gegen Entscheidung des Integrationsamts
Gegen die Entscheidung des Integrationsamtes ist die Möglichkeit des Rechtsmittels (Widerspruch) gegeben. Dieses hat jedoch keine aufschiebende Wirkung
Ausnahmen vom Sonderkündigungsschutz von Schwerbehinderten
Der Sonderkündigungschutz gilt allderings nicht, wenn
- das Arbeitsverhältnis noch keine 6 Monate bestanden hat,
- der Schwerbehinderte auf Stellen i.S.d. 72 II Nr. 2 - 6 SGB IX
beschäftigt ist
- der Schwerbehinderte das 58. Lebensjahr vollendet hat und be-
sondere Sozialleistungen gewährt werden,
- die Kündigung aus witterungsbedingen Gründen erfolgt und die
Wiedereinstellung gewährleistet ist.
Sonstige Hilfen des Integrationsamts
Das Integrationsamt hat auch die Möglichkeit zur Vermeidung einer Kündigung Arbeitshilfen zu stellen, durch welche der schwerbehinderte Arbeitnehmer einer Tätigkeit wieder nachkommen kann, wie auch Geldmittel zur Verfügung zu stellen.
Beispiel ist, dass der schwerbehinderte Arbeitnehmer in seiner Leistungsfähigkeit gemindert ist und somit sein Produktivitätsfaktor sich verringert. Hier kann das Integrationsamt Geldmittel zur Verfügung stellen, indem Überstunden von Kollegen vom Integrationsamt bezahlt werden, welche hierdurch die Minderleistung des Arbeitnehmers ausgleichen.
Unverzüglichkeit der Kündigung eines Schwerbehinderten nach Zustimmung des Integrationsamts
Unverzüglichkeit der Kündigung eines Schwerbehinderten nach Zustimmung des Integrationsamts
BAG Urt.v. 19.04.2012 -2 AZR 118/11- NZA 2013, 507
- Ist nach Erteilung der Zustimmung des Integrationsamts die 2-Wochen-Frist des § 626 II 1 BGB bereits abgelaufen, verlangt § 91 V SGB IX die unverzügliche Erklärung einer außerordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber. Die Zustimmung zur Kündigung ist i.S. von § 91 V SGB IX "erteilt", sobald das Integrationsamt eine solche Entscheidung innerhalb der Frist des § 91 III 1 SGB IX getroffen und den antragstellenden Arbeitgeber hierüber in Kenntnis gesetzt, oder wenn es innerhalb der Frist des § 91 III 1 SGB IX keine Entscheidung getroffen hat. In diesem Fall gilt die Zustimmung mit Ablauf der Frist gem. § 91 III 2 SGB IX als erteilt. Die Kündigung ist "erklärt", wenn sie dem schwerbehinderten Menschen gem. § 130 BGB zugegangen ist.
- Entsprechend der Legaldefinition des " 121 I BGB bedeutet "unverzüglich" auch im Rahmen des § 91 V SGB IX "ohne schuldhaftes Zögern". Schuldhaft ist ein Zögern dann, wenn ein Zuwarten durch die Umstände des Einzelfalls nicht geboten ist. Dabei ist nicht alleine die objektive Lage maßgeblich. Solange derjenige, dem unverzügliches Handeln abverlangt wird, nicht weiss, dass er die betreffende Rechtshandlung vornehmen muss, oder mit vertretbaren Gründen annehmen kann, er müsse sie noch nicht vornehmen, liegt kein "schuldhaftes" Zögern vor.
- Es besteht eine Obliegenheit des Arbeitgebers, sich beim Integrationsamt zu erkundigen, ob es innerhalb der Frist des § 91 III 1 SGB IX eine Entscheidung getroffen hat, weil andernfalls gem. § 91 III 2 SGB IX die Zustimmung fingiert wird. Der Arbeitgeber braucht hingegen nicht darauf zu dringen, gegebenenfalls auch über den Inhalt der getroffenen Entscheidung schon vorab in Kenntnis gesetzt zu werden. Zu einer solchen Auskunft ist das Integrationsamt nicht verpflichtet. Die Bekanntgabe der Entscheidung hat vielmehr durch Zustellung zu erfolgen (§§ 88 II, 91 I SGB IX). Teilt das Integrationsamt lediglich mit, dass es innerhalb der Frist eine Entscheidung getroffen hat, nicht aber, wie entschieden wurde, darf der Arbeitgeber die Zustellung des entsprechenden Bescheids eine - nicht ganz ungewöhnliche - Zeit lang abwarten.
Integrationsamt, Zustimmungserfordernis vor Ausspruch der Kündigung
Integrationsamt, Zustimmungserfordernis vor Ausspruch der Kündigung
LAG Köln v. 12.03.2012 -2 Sa 999/12-
Die behördliche Zustimmung zur Kündigung muss vor Ausspruch der Kündigung vorliegen. Selbst wenn in einem verwaltungsgerichtlichen Verfahren die Zustimmung zur Kündigung erteilt würde,
rechtfertigt diese nur eine danach auszusprechende Kündigung. Eine Aussetzung des Verfahrens über eine vorzeitig ausgesprochene Kündigung kommt deshalb nicht in Betracht.
Zustimmung Integrationsamt
Kündigungserklärung, schwebende Unwirksamkeit bei Aufhebung der Zustimmung des Integrationsamts, Restitutionsklage
LAG Köln -7 Sa 1155/09-
Hat das Verwaltungsgericht erster Instanz den Zustimmungsbescheid des Integrationsamts zur kündigung eines schwerbehinderten Menschen gem. § 85 SGB IX als rechtwidrig aufgehoben, so ist die auf den Zustimmungsbescheid gestützte Kündigungserklärung als schwebend unwirksam anzusehen.
Die Arbeitsgerichte aller Instanzen sind im Kündigungsschutzprozess an die verwaltungsgerichtliche Entscheidung gebunden. Das verwaltungsgerichtliche Verfahren ist für den Kündigungschutzprozess vorgreiflich i.S.d. § 148 ZPO.
Die Entscheidung darüber, ob der Kündigungsschutzprozess gem. § 148 ZPO ausgesetzt wird, liegt im pflichtgemässen Ermessen des mit der Sache befassten Arbeitsgerichts. Ist gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil erster Instanz die Berufung zugelassen und der Zeitpunkt der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts ungewiss, ist im Zweifel dem Beschleunigungsgrundsatz der Vorrang einzuräumen und von einer Aussetzung abzusehen.
Der Arbeitgeber ist -ebenseo wie der Arbeitnehmer in der umgekehrten Konstellation- durch die Möglichkeit der Restitutionsklage geschützt, falls der Zustimmungsbescheid des Integrationsamts zur Kündigung in einer höheren verwaltungsgerichtlichen Instanz wiederhergestellt werden sollte. In diesem Fall kann sich der Arbeitgeber weiterhin formalrechtlich auf die seinerzeit ausgesprochene Kündigung berufen.
Gegenstandswert im Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt
Gegenstandswert im Zustimmungsverfahren vor dem Integrationsamt
OVG Schleswig Beschl.v. 11.02.14 -3 O 45/12- = BeckRS 2014, 47448 = NJW-Spez. 2014, 251
Wird vor dem Integrationsamtr die Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten beantragt, so beläuft sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf den Auffangwert des § 52 II GKG i.H.v. € 5. 000,-.
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